RESTAURO Fachartikel Veröffentlichung
Rissreparaturen im Streichinstrumentensektor müssen nicht nur so schonend wie möglich durchgeführt werden, sondern sie müssen auch den hohen Belastungen, denen ein gespieltes Musikinstrument ausgesetzt ist, zuverlässig standhalten. Zugleich reagiert ein komplexes System, wie wir es z. B. in der Geige finden, auf kleinste Veränderungen. Anhand der Restaurierung eines italienischen Cellos aus dem 18. Jahrhundert zeigt der Autor Alexis Schilbach eine Möglichkeit auf, Rissleimungen zu sichern und zugleich den Einfluss auf das Schwingungsverhalten des Instrumentes zu minimieren."1"
Der Autor Alexis Schilbach ist Geigenbaumeister und Restaurator für Musikinstrumente in der Schweiz. Sein Co-Autor Tilman Gruenewald ist Student im vierten Semester des Bachelorstudiengangs Holztechnologie und Holzbau an der Fachhochschule Salzburg.
linkes Bild: Abb. 1: Der Autor schabt das Pergament mit der Ziehklinge auf eine Stärke um 0,1mm.
rechtes Bild: Abb. 2: Ausstanzen der Pergamentbelege mit einem Locheisen.
Rissbelegung
Eine Technik, die in der Streichinstrumentenreparatur seit langer Zeit üblich ist Wertvolle Geigen und Celli aus der klassischen italienischen Periode (16.–18. Jahrhundert) zeigen in der Innenansicht oftmals eine große Zahl von Holzplättchen unterschiedlicher Größe, Stärke und Holzart, die im Rahmen von Reparaturmaßnahmen aufgeleimt wurden. Nach dem vorsichtigen Abnehmen der Instrumentendecke zeigten sich diese sogenannten Holzbelege auch bei dem hier gezeigten Cello, das dem Autor zu Restaurierung anvertraut wurde (Abb. 3 + 6). Die Holzbelege sind von der Innenseite auf geleimte Risse oder auch gekittete Fraßgänge von Holzschädlingen aufgeleimt. An den verschiedenen Holzfärbungen ist zu erkennen, dass diese Reparaturen zum Teil weit zurückliegen (im 19. Jahrhundert), es finden sich aber auch Belege mit einer hellen Holzfarbe, die darauf hinweist, dass die Belege nur ein paar Jahre alt sind. Tatsächlich weiß der Autor aus dem Erfahrungsaustausch mit Kollegen, dass diese Art, reparierte Risse zu belegen, auch aktuell in vielen Geigenbauwerkstätten praktiziert wird.
Gibt es eine Notwendigkeit für diese Rissbelege? Was sind die Nachteile?
Rissbelege können sinnvoll sein, wenn sie die Verlässlichkeit des geleimten Risses erhöhen, was in diesem Artikel untersucht werden soll. Rissbelege sind insbesondere an Rissenden unerlässlich, an denen einzelne Holzfasern beschädigt sind, an denen der Riss aber nicht ausreichend geöffnet ist, sodass Leim in ganzer Tiefe eindringen kann. Der Autor konnte an zurückliegenden Rissreparaturen beobachten, dass sich an diesen Stellen Haarrisse bilden können, die sich, wenn sie Schmutz und Staub aufnehmen, als neue Risse öffnen können.
linkes Bild: Abb. 3 rechts: Die Innenansicht der Cellodecke nach dem Öffnen des Cellos / Abb. 4 links: Die Innenansicht der Cellodecke nach der Restauration: die Risse wurden gereinigt, geleimt und mit Pergament belegt. Zwei stark beschädigte Randbereiche wurden gefüttert.
rechtes Bild: Abb. 5: Dieselbe Ansicht wie Abb. 4 im UV-Licht. Die Pergamentbelege sind gut sichtbar.
Gegenüber der weit verbreiteten Technik, geleimte Risse mit Holzbelegen zu sichern, sind Bedenken zu äußern. Aufbauend auf der Erfahrung des Autors sind diese folgendermaßen zu formulieren:
- In vielen Fällen waren die Decken mit einer großen Zahl von Holzbelegen verschiedenster Qualität und unterschiedlichen Alters belegt. In dem hier dokumentierten Beispiel waren es 42 Belege (Abb. 1). Ein nicht perfekt sitzender oder am Rand abgelöster Holzbeleg ist ausreichend, um beim Spiel des Instrumentes ein schepperndes Geräusch, häufig bei nur einer Frequenz und bei einer bestimmten Luftfeuchtigkeit, zu erzeugen. In diesem Fall ist es für den Geigenbauer unmöglich, die Geräuschquelle zu identifizieren und zu beheben. Diese Nebengeräusche sind eine enorme Belastung für Musiker, die sich auf ihr Instrument in Konzertsituationen verlassen müssen. Holzbelege versteifen einen kleinen Bereich der Decke, wodurch sich das Schwingungsverhalten einer Decke verändert. Dies sollte vermieden werden, da es einen Einfluss auf den Ton der Geige hat. Bei einer großen Zahl von Holzbelegen in einem Bereich der Decke ist die Veränderung so groß, dass die Versteifung bei leichten Biegen der Decke, eine im Geigenbau übliche Prüfmethode, zu spüren ist.
- Durch die Holzrissbelege wird zusätzliche Masse aufgebracht. Für eine schwingende Platte, wie z. B. eine Cellodecke, bedeutet dies eine höhere Trägheit. Es gilt FT = m · a, d. h. die Trägheitskraft ist gleich der Masse mal der Beschleunigung. Die Beschleunigung hängt von der Frequenz und der Amplitude, mit der die Platte schwingt, ab. Bei gleicher Frequenz und Amplitude tritt bei Verdoppelung der Masse der Platte eine Verdoppelung der Trägheitskraft ein. Für den Musiker wirkt sich dies durch eine schwerere Ansprache seines Instrumentes aus. Die 42 Holzbelege der dokumentierten Cellodecke haben zusammen eine Masse von fast 4 Gramm, was in der Größenordnung von 1% der Masse der Cellodecke liegt. Für diesen Wert liegt die in diesem Artikel ermittelte Masse von 0,09 Gramm pro durchschnittlichen Celloholzbeleg zugrunde.
- Die Holzbelege verändern das Aussehen der belegten Fläche. Es muss Ziel jedes Restaurators sein, dass sein Eingriff einerseits ablesbar bleibt, anderseits aber das Erscheinungsbild des restaurierten Gegenstandes so wenig wie möglich beeinflusst.
Warum wurden Rißreparaturen fast ausschließlich mit Holz belegt?
Abb. 6: Innenansicht der Unterzarge, oben mit Holzbelegen vor der Restaurierung, unten mit Pergamentbelegen nach der Restaurierung.
Holz war bis Anfang der 1970er-Jahre der bevorzugte Werkstoff in allen Geigenrestaurierungswerkstätten, die bis zu diesem Zeitpunkt in aller Regel zugleich Geigenbauwerkstätten waren. Die Grundlagen des Handwerkes, die in einer im Jugendalter absolvierten Lehre erlernt wurden, konzentrierten sich auf die hervorragende Beherrschung der Holzbearbeitungsmethoden. In der Konsequenz wurden Zulagen und Reparaturformen ausschließlich aus Holz gefertigt. Dies ist häufig aufwendiger als Abformmethoden mit Gips, eine Technik, die sich in der Geigenrestaurierung erst mit dem »Dazustoßen« von Restauratoren außerhalb des traditionellen Geigenbauermillieus im angegebenen Zeitraum entwickelt hat. Diese Entwicklung legt nahe, dass dies der Grund für die Präferenz von Holz zum Belegen von Rissen ist.
Dass es in der Geigenbaugeschichte auch andere Ansätze gab, belegen Celli von Antonio Stradivari (ca. 1644–1737), die über die Zargeninnenseiten geleimte Leinenstreifen tragen. Diese sollten einem Reißen und Verformen der feucht über einem heißen Biegeeisen gebogenen Zargen vorbeugen."2"
Pergament bietet eine Alternative
Als eine Alternative zu Holzbelegen bietet sich das Belegen von Rissreparaturen mit Pergament an. Bei einigen Restaurierungen stieß der Autor auf Pergamentbelege, die vermutlich aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts stammen. Eine Begründung dafür, dass sich diese Technik bisher in der Streichinstrumentenrestaurierung nicht durchsetzen konnte, könnte die Eigenschaft von Pergament liefern, sich beim Trocknen zusammenzuziehen: Die entstehenden Zugkräfte können ausreichend sein, um eine Cellodecke zu verformen.
Tatsächlich ist zu beobachten, dass die Pergamentbelege aus alten Restaurierungsmaßnahmen um ein Vielfaches stärker sind, als jene Pergamentbelege, die der Autor bei seinen Restaurierungen verwendet. Dass Pergament sich, richtig angewendet, durchaus für die Restaurierung von Rissen eignet, soll im nachfolgenden Abschnitt beschrieben werden. Denn eine leichte Kraft des sich beim Trocknen zusammenziehenden Pergamentes ist für die Risssicherung durchaus von Vorteil.
Durchführung von Pergamentbelegen
Das in der Stärke von 0,25 mm gelieferte feine Ziegenpergament schabt der Autor auf der rauen Seite, der sogenannten Fleischseite, mit einer feinen Ziehklinge auf eine Stärke zwischen 0,12 mm und 0,05 mm (Abb. 1). Zum Vergleich: Die Blattstärke einer Schreibmaschienenpapierseite beträgt 0,08 mm. Beim Schaben ist es wichtig, die glatte Seite, die die Oberseite der Belege bilden wird, nicht zu beschädigen. Diese Pergamentbelege werden dann mit im Werkzeughandel üblichen Locheisen (mit der glatten Seite nach oben) ausgestanzt, sodass die Stanzränder den Beleg zur rauen Seite hin abschließen (Abb. 2).
Abb. 7: Dieselbe Unterzarge wie in Abb. 6 im UV-Licht. Die Pergamentbelege sind gut sichtbar.
Für die Restaurierung von Geigen eignet sich ein Lochstanzer mit einem Durchmesser von 10 mm, für Celli sind, wegen der größeren Deckenstärke, Lochstanzer von 12 mm zu bevorzugen. Zum Belegen von Stellen, an denen kreisrunde Rissbelege ungeeignet sind, wie z. B. an den F-Lochkugeln, in den Zargen oder in den Randbereichen von Decke und Boden, schneidet der Autor mit dem Messer (Schnitzmesserstahl in der im Geigenbau üblichen Qualität) abgerundete Formen in das Pergament, wobei die glatte Seite des Pergaments nach oben zeigt. Die abgerundeten Formen der Rissbelege beugen einem leichten Beschädigen und Ablösen von Belegecken vor (Abb. 6 + 7). Zum Aufleimen des Beleges bestreicht der Autor die raue Seite des Beleges unmittelbar vor dem Aufbringen mit flüssigem, warmem Hautleim und setzt den Beleg auf die vorher definierte Stelle. Es genügt, die Belege mit der Fingerkuppe anzudrücken und den überschüssigen Leim mit einem warm-feuchten Pinsel zu entfernen. Dabei wird die Belegoberfläche benetzt.
Der Kontakt zwischen Holz und Beleg entsteht beim Trocknen der Belege und beim Verdunsten der unter dem Beleg liegenden Flüssigkeit. Das Anlegen von Zwingen, wie bei der Ausführung von Holzbelegen üblich, ist nicht notwendig.
Eine Versuchsreihe
Es stellte sich die Frage, ob
a) Belege einem geleimten Riss eine höhere Verlässlichkeit geben und ob
b) Pergamentbelege einen Riss ebenso gut wie Holzbelege sichern. Um dies festzustellen, haben die Autoren eine Versuchsreihe durchgeführt. Als Testobjekte dienten vier gefugte Probeholzbretter. Es handelt sich um feinjähriges, 15 Jahre abgelagertes Tonholz aus Fichte. Die Fuge wurde mit Hautwarmleim, der sich in der Geigenrestaurierung bewährt hat, geleimt. Die Jahrringe sind in den Probestücken stehend und parallel zur Fuge ausgerichtet. Je drei Brettchen von 140 mm Länge, 30 mm Breite und 4,9 mm Dicke sind aus demselben gefugten Brett gesägt, eines ist nicht belegt, das zweite ist über die Fuge mit einem Pergamentbeleg der Stärke 0,1 mm belegt, das dritte mit einem Holzbeleg der Stärke 1,4 mm.
Um eine genaue Aussage über die maximalen Spannungen bis zum Versagen der Probe zu treffen, erfolgten Zugversuche in Anlehnung an DIN 52188. Für die Lastaufbringungsgeschwindigkeit wurden 0,5 mm/min gewählt. Bei den so belasteten Proben erfolgte das Versagen nach ca. 1,5 Minuten. Dieser lange Zeitraum gewährleistet eine selektive Belastung des gefugten Bereiches und eignet sich so zu dessen Prüfung.
Prinzipiell zielte der Versuch darauf ab, die maximalen Spannungen quer zum reparierten Riss in der Deckenebene zu ermitteln, bis ein Spannungsabfall und damit das Versagen der Probe eintritt. Die vier Probeläufe wurden nach genau den identischen Kriterien durchgeführt. Insbesondere Holz wie auch im geringeren Masse Pergament sind keine homogenen Materialien. Auch die Qualität der Fuge kann Schwankungen aufweisen. Je höher die Anzahl der Versuche ist, desto höher ist das Signifikanzniveau der Versuchsreihe.
In einem Vorversuch erfolgte die Ermittlung der Dichte im absolut trockenen Zustand. Hierbei wurde nach ÖNorm EN 13183-1:2004 verfahren. So ließ sich eine mittlere Darrdichte von 407 kg/m2 ermitteln. Im Zuge dieser Voruntersuchungen erfolgten auch die Bestimmung der Masse eines Holz- und die eines Pergamentbelegs. Hierbei ergab sich ein Wert von 0,09 Gramm für einen rautenförmigen Holzbeleg mit der Kantenlänge 22 mm und 10 mm und einer Dicke von 1,5 mm. Für den Pergamentbeleg ergab sich eine Masse von 0,019 Gramm bei einem Durchmesser von 12 mm und einer Dicke von ca. 0,1mm.
Um die Reproduzierbarkeit der Zugproben zu gewährleisten, lagerten sie im Normklima von 20 °C und 65 % Luftfeuchte. Nach einer angemessenen Zeit erfolgte die Messung der Ausgleichsfeuchte des Holzes.
Aufbau und Durchführung des Zugversuches
linkes Bild: Abb. 8a / rechtes Bild: Abb. 8b: Durchführung des Zugversuches.
Das Probeholzbrettchen wird zwischen zwei Metallzangen gespannt, sodass der gefugte Bereich in der Mitte der zwei Zangen liegt. Der Versuchsaufbau ist in Abb. 8 a+b veranschaulicht.
Getestet wurde jeweils eine nicht belegte Fuge im direkten Vergleich zu je einer mit Holz und mit Pergament belegten Fuge. Den Spannungsverlauf und das Versagen der Proben sind in den Diagrammen 1 bis 4 dokumentiert. Tabelle 1 zeigt im Überblick, an welchen Stellen die Zugproben versagt haben.
Diagramm 1: Das Reißen des mit Pergament belegten Probestückes oberhalb der Fuge bei einer geringen Spannung lässt sich auf eine Schwachstelle im Holz zurückführen.
Diagramm 2: Alle drei Probestücke sind bei etwa derselben Spannung gerissen, aber nur der Pergamentbeleg konnte das Reißen der Fuge verhindern.
Diagramm 3: Die mit Holz und Pergament belegten Probestücke rissen an einer Schwachstelle im Holz ober- und unterhalb der Belege.
Diagramm 4: Nur der Pergamentbeleg sicherte die Fuge. Anhand des Grafen für den Holzbeleg ist deutlich das zweistufige Versagen der Probe zu erkennen. Das heißt, der Beleg versagte bei einer Dehnung von 0,55 mm, die Decke erst bei 0,65mm Dehnung (Abb. 9).
Diagramm 5: Die Minima und Maxima der vier Probedurchläufe zeigen, dass sowohl die mit Holz belegte Fuge als auch die unbelegte Fuge mit einer Streuung von 2,29 N/mm2 bis 5,71 N/mm2 und von 2,00 N/mm2 bis 6,80 N/mm2 unzuverlässig ist, im Gegensatz zu der mit Pergament belegten Fuge mit einer Streuung von 3,62 N/mm2 bis 5,53 N/mm2. Dieses Ergebnis könnte aus dem Einfluss außermittiger Krafteinleitung und daraus resultierender Scherung in der Leimfuge resultieren. Durch die deutlich geringere Dicke des Pergamentbelegs von 0,1 mm im Vergleich zu den 1,4 mm eines Holzbelegs ist die Exzentrizität der Kraftweiterleitung deutlich geringer. Daher wird ein geringeres Biegemoment eingeleitet und auch die daraus resultierende Scherung der Leimfuge verringert sich deutlich.
Abschließende Erkenntnisse
Abb. 9: Das linke unbelegte Probestück ist im Bereich der Fuge gerissen, das mittlere mit einem Holzbeleg belegte Probestück riss im Bereich der Fuge und Holzbeleg, das rechte mit Pergament belegte Probestück riss unterhalb der Fuge und des Pergamentbeleges (Proben 4).
Aus den Versuchsauswertungen lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen:
Zum einen weisen Pergamentbelege dem Holzbeleg gegenüber überlegene Eigenschaften auf. So hält ein Pergamentbeleg eine um ca. sieben Prozent höhere Maximalspannung aus. Zum anderen wird ein erneutes Versagen der gerissenen Stelle zuverlässig verhindert. Der belegte Riss kann als genauso stabil wie der nicht beschädigte Bereich eingeschätzt werden. Durch das zweistufige Versagen des Holzbelegs ergeben sich zwei Probleme: Zum einen ist die reparierte Stelle nicht mehr gesichert. Zum anderen könnten sich aus einem angerissenen Holzbeleg parasitäre Geräusche ergeben.
Die Grenzen der Risssicherung mit Pergamentbelegen
Die Grenzen der Möglichkeiten, mit Pergament zu belegen, sind bei etwa 2 cm2 erreicht, da dann die Kräfte, die beim Verleimen des Pergamentes entstehen, auch bei einer Pergamentstärke unter 0,12 mm so groß sind, dass das Holz verformt wird. In diesem Fall ist es möglich, auf Belege aus Seide oder Leinen auszuweichen, wie sie vor allem bei der Restaurierung von Zargen vorkommen.
Trotz der Vorteile von Pergamentbelegen ist das Ersetzen von Holzbelegen unbedingt im Einzelfall zu beurteilen. In dem in Abbildung 4 und 5 dokumentierten Restaurierungsbeispiel hat der Autor nach eingehender Überprüfung zwei Holzbelege beibehalten. Diese Belege betreffen Bereiche, die nicht verändert werden sollten: zwei Risse, die unter den Bassbalken verlaufen. Diese für die Tonemission wichtige, in die Decke eingepasste Holzleiste sollte bei dieser Restaurierung auf keinen Fall verändert werden, da das Cello mit diesem Bassbalken hervorragend klingt.
Auch bei der Reparatur eines unter den Bassbalken laufenden Risses ist der Bassbalken mit Holzbelegen zu unterlegen, da Pergament zwischen Bassbalken und Decke wegen des unterschiedlichen Verhaltens von Holz und Pergament bezüglich der Luftfeuchtigkeit zu risikoreich wäre. Der Bassbalken muss in diesem Fall auf die vorher gesetzten Holzbelege aufgepasst werden.
Rissreparaturen am geschlossenen Instrument
Pergamentbelege haben sich als ganz hervorragende Möglichkeit bewährt, um einen Riss am geschlossenen Instrument zu belegen. Bei dieser Technik wird der Deckenrand nur in dem Bereich, in dem sich der Deckenriss befindet, abgelöst. Dieses Verfahren ist zu empfehlen, wenn sich ein kleiner Riss auf diese Weise gut reinigen und zwingen lässt. In diesem Fall ist der Aufwand und der Umfang des Eingriffes, den ein Abnehmen der Decke bedeutet, gegen den Nachteil, dass überschüssiger Leim im Innenbereich nicht entfernt werden kann, abzuwägen.
Für die Maßnahme muss der Innenraum des Instrumentes gut ausgeleuchtet sein, z. B. mit einem Endoskop. Ein Draht, der am Ende mit einer Schlaufe versehen ist, wird so gebogen, dass mit diesem die zu sichernde Stelle durch eines der F-Löcher gut erreicht werden kann. Zum Aufleimen wird der Pergamentbeleg auf der Innenseite mit Leim bestrichen, auf der Außenseite leicht benetzt, auf die Schlaufe des angewärmten Drahtes gelegt, durch das F-Loch geführt und auf die vorher festgelegte Stelle platziert. Es genügt, den Beleg mit dem Draht festzustreichen. Dabei ist es wichtig, nicht zu viel Leim zu verwenden, da sich bei dieser Methode der überschüssige Leim nicht entfernen lässt. (Der wasserlösliche Glutinleim könnte jedoch bei einem späteren Öffnen des Instruments problemlos entfernt werden, was die Reversibilität des Eingriffs gewährleistet.)
Die Restaurierung des italienischen Cellos aus dem 18. Jahrhundert
Abb. 10: Der Besitzer mit seinem restaurierten italienischen Cello aus dem 18. Jahrhunder.
Das Restaurierungsprojekt des italienischen Cellos war ein großer Erfolg . So vermerkte der Musiker und Besitzer des Cellos Ulrich Fuchs (Abb. 10):
»Bei der Restaurierung meines schon vorher sehr gut klingenden Instruments ging es mir eigentlich vor allem darum, dass eine spätere Überlackierung entfernt und der Orginallack möglichst schonend freigelegt wird. Natürlich war klar, dass bei dieser Gelegenheit auch sämtliche offene Risse repariert werden sollten. Das Ergebnis der Restaurierung ist einfach sensationell. Das Cello ist deutlich lauter, ist noch ausgeglichener, weil die A-Saite dazugewonnen hat, spricht besser an und hat mehr Klangfarben als zuvor. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Instrument nach einer Reparatur so deutlich im Klang verbessert war.« (Ulrich Fuchs)
Zusatz
Seit 2017 haben wir Pergamentbelege (10mm) für Geigen und Pergamentbelege (12mm) für Celli in unseren Onlineshop mit aufgenommen. Die Gebrauchsfertigen Pergamentbelege von SCHILBACH bringen eine hohe Zeitersparnis und erlauben ein unkompliziertes Arbeiten.
Anmerkungen
- Hinweis zu einem Artikel zu einem ähnlichem Thema: Christian Rault, An exploration of some restauration techniques, in: Strad Magazine, vol.102, n° 1210, Londres, february 1991, pp. 144–149
- Quelle: Simone F. Sacconi, Die Geheimnisse Stradivaris, Verlag Erwin Bochinsky, Bergkirchen 1981, S. 49
- Pergamentbelege in der Restaurierung von Streichinstrumenten
http://www.restauro.de/Hefte.html -
Tilman Gruenewald
tgruenewald.htb-b2007@fh-salzburg.ac.at